In der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 10. Januar 2025 von Werner Bartens und bei Riffreporter vom 11. Januar 2025 von Marianne Falck wird ein Gesundheits- bzw. Medizinthema traktiert, das mich an meine vor bald zwanzig Jahren zusammengestellte Sammlung über Kuriositäten der Medizinberichterstattung in Publikumsmedien erinnerte. Jetzt, so die Autorin und der Autor, wird behauptet, dass jede Tasse Kaffee "zwischen 4 Uhr und 11.59 Uhr zählt", also für die Gesundheit positiv sei. Was da behauptet wird, ist leider weder durch die Studie noch durch die Einleitung zur Studie wirklich gedeckt, so das Fazit der Studie," Specifically, our findings suggest that coffee drinking in the morning may be more strongly associated with lower mortality than coffee drinking later in the day." (https://static.primary.prod.gcms.the-infra.com/static/site/eurheartj/document/ehae871.pdf?node=9616b797bc65f23e8519) Also, kann sein, kann aber auch nicht sein.
Deshalb will ich einen Artikel, den ich 2008 geschrieben habe, hier erneut publizieren (am Schluss ist ein Link zum gesamten - heute würde ich sagen, zu langen - Text auf dem Forum Gesundheitspolitik zu finden):
Kaffeetrinker sind im Bett wie aufgedreht
Gesundheitsthemen in der seriösen Tagespresse unseriös
von Volker Heigenmooser
„Gesundheit“ gehört zu den „general interest“-Themen, die „immer gehen“. Ob skurril oder vermeintlich seriös, es ist zugleich verwirrend und erheiternd, was uns da nahezu täglich als Zeitungsleserinnen und –lesern geboten wird. Heute sollen wir das glauben, morgen jenes. Immer geht es um unser höchstes Gut, unsere Gesundheit. Doch statt aufzuklären, wird verunsichert. Manchmal unbewusst, manchmal bewusst. Oder, um es mit der Eigenwerbung der deutschen Tageszeitungen zu sagen:
Der Zusammenhang von gesundem Körper und gesundem Geist wurde jetzt in Deutschland wissenschaftlich eindeutig erwiesen: Mehr als die Hälfte der Bundesbürger informiert sich über Gesundheitsthemen in der Tageszeitung. Lesen hält gesund.
Die Zeitung. Das Qualitätsmedium.
Das ist nicht aus einem Kabarettprogramm, sondern solche Eigenwerbung wird in deutschen Tageszeitungen gedruckt. Und entsprechend sind dann auch die Meldungen, Nachrichten und Berichte zum Thema Gesundheit, das so viele Menschen interessiert, weil nun mal jeder gesund sein will. Medizinthemen in der Presse zeigen, dass viele Journalisten ganz offensichtlich beim Thema Gesundheit ihren Verstand ausschalten und solides Handwerk vermissen lassen. Oder manchmal auch hinters Licht geführt werden.
In den Jahren 2005 und 2006 habe ich Gesundheitsthemen gesammelt. Mit angeregt zu dieser Sammlung wurde ich durch das Buch von Klaus Dörner, Das Gesundheitsdilemma (2004). Er schreibt dort: „Es gibt für jeden Menschen einen nur ihm angemessenen Lebensstil, sodass, wenn er sein Verhalten der wissenschaftlichen Verallgemeinerung anpasst, das Gegenteil von Gesundheit herausspringt. Was für alle statistisch gilt, lässt ich auf den einzelnen Menschen nicht ohne Zwischenstufen anwenden. Der braucht möglicherweise auch seine Fehlernährung, Trink- oder Rauchgewohnheiten, um seinen Lebensstil zu verwirklichen.“ (S. 12 f.) Ich habe mich gefragt, ob nicht gerade durch eine undifferenzierte Berichterstattung, durch das Statistikhubern in der Berichterstattung dieses Dilemma mit entsteht. Es spricht vieles dafür. Deshalb könnte man auch mit Dörner sagen: „Etwas flapsig ausgedrückt: Wo schon Gesundheit draufsteht, kann Gesundheit nicht drin sein.“ (ebd. S. 13)
Wie ein durchschnittlicher Zeitungsleser habe ich meine Lokalzeitung, in diesem Fall die Nordsee-Zeitung (NZ) mit ihrer Sonntagszeitung, dem Bremerhavener Sonntagsjournal (BSJ), ein Jahr lang (September 2005 – September 2006) ausgewertet. Darüber hinaus habe ich in diesem Zeitraum regelmäßig die Süddeutsche Zeitung (SZ) und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sowie die Tageszeitung (taz) und eher sporadisch die Frankfurter Rundschau (FR) nach Gesundheitsthemen abgesucht. Dabei hat sich ein gravierender Unterschied gezeigt. In den überregionalen Zeitungen wie SZ und FAZ gibt es Wissensseiten mit spezialisierten Redaktionen. Auf diesen Wissensseiten kann man durchaus fundierte Artikel zu medizinischen und Gesundheitsthemen lesen, oft in Zusammenfassungen der aktuellen medizinischen und gesundheitspolitischen Fachdiskussionen. In der taz gibt es übrigens nahezu keine Berichterstattung zu medizinischen Themen. Das schadet offensichtlich der Gesundheit ihrer Leserinnen und Leser nicht. Ganz anders ist das bei den agenturabhängigen Blättern, die keinen Fachredakteur für medizinische oder Gesundheitsfragen haben. Dafür ist die Nordsee-Zeitung mit ihrem Sonntagsjournal exemplarisch. Sie ist im Wesentlichen von Agenturen wie der Deutschen Presseagentur (dpa), dem Deutschen Depeschendienst (ddp), Reuters, Agence France Press (AFP) oder Associated Press (AP) abhängig. Die selbstrecherchierten Geschichten sind bei der Nordsee-Zeitung im Lokalteil. Das ist bei der überwiegenden Zahl der Abonnementszeitungen in der Bundesrepublik so. Nicht berücksichtigt habe ich des zahlreichen Supplements, die den sich als seriös verstehenden Tageszeitungen in regelmäßigen Abständen beigelegt sind, ich nenne stellvertretend das Supplement „Medizin – Das Gesundheitsmagazin in Ihrer Zeitung“, das u. a. der SZ beiliegt. In den Supplements oder auch schon einmal auf den Seiten mit Vermischtem aus aller Welt (rot-blaue Seiten) stehen dann Sachen, die auf der Wissensseite derselben Zeitung bisweilen als gelinder Humbug gebrandmarkt werden.
Der Journalist Jörg Blech hat über seine Berufskollegen in seinem Buch „Die Krankheitserfinder“ (2003) folgendes, im Grunde vernichtendes Urteil gefällt: „Viele der [von PR-Agenturen, VH] lancierten Geschichten werden von den Journalisten völlig unkritisch übernommen und verbreitet. Mögliche Therapien werden vorschnell als vermeintliche Sensation in die Welt hinausposaunt – später hört man in den allermeisten Fällen nie wieder etwas davon. Der Hang zur Übertreibung ist eine Berufskrankheit vieler Medizinjournalisten: Sie bauschen die Verbreitung und das Bedrohungspotenzial bestimmter Krankheiten häufig auf, um ihre Berichte darüber wichtig und relevant erscheinen zu lassen.“ (S. 54)
Das liegt nicht nur an Manipulationen, auf die Markus Grill in einem ganzen Kapitel seines Buchs „Kranke Geschäfte – Wie die Pharmaindustrie uns manipuliert“ (2007) hinweist, sondern es ist oft einfach Unfähigkeit von Journalisten, sich zunftgerecht zu verhalten, was die, die man dazu konkret befragt, strikt von sich weisen wie zum Beispiel Daniel Jahn, Chefredakteur von AFP Deutschland. Auf die Frage, ob es bei AFP einen so genannten Gatekeeper gebe, der die Meldungen, die von AFP verbreitet werden, nach allgemein gültigen journalistischen Standards gewichte, antwortet er: „Ihre Frage suggeriert, dass sich AFP nicht an die ‚allgemein gültigen journalistischen Standards’ halten würde. Dies weise ich entschieden zurück.“ Alle befragten Agenturen und Journalisten betonen, dass sie sich selbstverständlich an den Pressekodex (Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats) und dort insbesondere an die Ziffer 14 hielten, die folgendermaßen lautet: „Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen und Hoffnungen beim Leser wecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.“ Bis auf wenige Ausnahmen gibt es übrigens nach Auskunft des Deutschen Presserats kaum Beschwerden wegen der Ziffer 14 Pressekodex. Wenn es Beschwerden aus diesem Bereich gebe, dann bezögen sie sich meist auf Ziffer 7, die Trennung von Werbung und Redaktion, so der zuständige Beschwerdereferent.
Um deutlich zu machen, worum es geht, betrachten wir die folgende Nachricht, „Kaffeetrinker sind im Bett wie aufgedreht“, mit der die NZ am 22. 9. 05 eine Meldung der Agentur AFP bringt:
Kaffee ist laut wissenschaftlichen Studien gesund und trägt zu einem aktiven Sexleben bei. Entgegen seinem ungesunden Ruf sei das Getränk gut für die Zähne und senke das Leberkrebsrisiko, berichtet das Magazin ‚Men’s Health’. Demnach fanden Wissenschaftler heraus, dass die Spermien von Gewohnheitskaffeetrinkern beweglicher sind als die von Koffein-Abstinenzlern. Zudem seien Kaffeetrinker sexuell aktiver. Koffein verhindere auch die Entstehung von Karies und diene dem Schutz vor Leberkrebs: Bis zu zwei Tassen am Tag verringern demnach die Anfälligkeit um 48 Prozent, bei fünf Tassen und mehr sogar um 76 Prozent.
Von „wissenschaftlichen Studien“ ist da gleich zu Beginn die Rede, was gewichtig daherkommt, aber leider wird im weiteren Text nicht gesagt, wer hier geforscht hat und warum wer geforscht hat. Als Quelle für diese berauschende Erkenntnis wird dagegen „Men’s Health“ genannt, was wissenschaftlich nicht gerade eine erste Adresse ist. Das könnte jedem Wald- und Wiesenredakteur bekannt sein. Bekannt müsste ihm auch sein, dass Aussagen wie wer zwei Tassen Kaffee am Tag trinke, die Anfälligkeit für Krebs und Karies um 48 Prozent reduziere, bei fünf oder mehr Tassen sogar um 76 Prozent purer Unsinn sind und nur Kaffeeverkäufern nützen. Diese Meldung könnte man unter die Rubrik „kurios“ einordnen, zu der Meldungen gehören, die Überschriften tragen wie Bessere Noten für Frühlingskinder (AFP) NZ 14. 11. 05; Angeborene Lust auf Currywurst (dpa) NZ 3. 11. 05; Neue Pille hilft gegen Übergewicht (dpa) NZ 30. 6. 06; Infarkt-Patienten: Heilmittel entdeckt (ddp) NZ 15. 11. 05; Kaffee schützt vor Bluthochdruck (AFP) NZ 21. 11. 05; Studie beweist: Sex macht vor Prüfungen locker (dpa) FR 26. 1. 06. Bei diesen Meldungen versagen die journalistischen Kriterien mindestens zweimal, zum einen bei der Agentur, die sie weitergibt, zum andern bei der Tageszeitung, die solche Meldungen nicht sofort in den Papierkorb wirft. Nun könnte man einwenden, das journalistische Kriterium der oddity (Kurioses) sei doch mit diesen Meldungen, von denen hier nur die Überschriften wiedergegeben sind, aufs schönste erfüllt. So gesehen ja, aber was sind die Folgen für medizinische Laien, die wir Zeitungsleser doch in der Masse sind? Bei Meldungen wie Angeborene Lust auf Currywurst oder Studie beweist: Sex macht vor Prüfungen locker mag man ja noch schmunzeln, weil bei ihnen der Blödsinn sofort ins Auge springt. Aber bei Überschriften wie Infarkt-Patienten: Heilmittel entdeckt, Krebs-Impfstoff erfolgreich getestet (dpa, NZ 4. 11. 05) oder Schmerzmittel senken das Hautkrebsrisiko (AFP, NZ 8. 11. 05) hört der Spaß schon auf. Denn hier wird gegen das Kriterium Nummer eins für Auswahlkriterien von Nachrichten verstoßen, das, es sei in Erinnerung gerufen, lautet: Eine Nachricht muss stimmen und die Quellen müssen nachprüfbar sein bzw. der Urheber muss offen gelegt werden. Ein Wissenschaftler, Experte, Mediziner oder eine Studie reicht bei möglicherweise für viele Menschen brisanten Meldungen nicht aus, wie sich an einem signifikanten Beispiel zeigen lässt: ohne auch nur eine einigermaßen identifizierbare Quelle anzugeben, wird in der folgenden Agenturmeldung geschrieben, es sei „zweifelsfrei bewiesen“, dass körpereigene Stammzellen aus Knochenmark infarktgeschädigte Herzen reparieren könnten. Da sind dann sofort schwere Zweifel angebracht.
Infarkt-Patienten: Heilmittel entdeckt
Frankfurt (ddp). Bei der Behandlung von Herzinfarkt-Patienten gibt es nach Angaben von Medizinern einen „bahnbrechenden Erfolg“. Eine Studie an 17 deutschen und schweizerischen Herzkliniken habe zweifelsfrei bewiesen, dass körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark infarktgeschädigte Herzen reparieren können.
An der Studie hatten über 200 Patienten mit gerade erst erlittenem Infarkt teilgenommen. Um den Effekt der Stammzellabgabe nachweisen zu können, war einem Teil ein Scheinpräparat verabreicht worden. Im Ergebnis zeigte sich den Angaben zufolge, dass die Stammzellen eine bis zu drei Mal stärkere Erholung der Pumpfunktion eines infarktgeschädigten Herzens bewirken. Der Herzinfarkt und seine Folgen sind noch immer Todesursache Nummer eins in Deutschland.“ (NZ, 15. 11. 05)
Was von dieser großartigen Meldung zu halten ist, darüber konnte man in einem durchaus nachdenklichen Artikel drei Tage später in der Süddeutschen Zeitung folgendes lesen (aber wer von den Lesern agenturabhängiger Zeitungen liest nebenbei auch noch eine Qualitätszeitung?):
Erst Durchbruch, dann Bauchlandung
Stammzellentherapie nach Infarkt liefert widersprüchliche Ergebnisse
Widersprüchlicher könnten die Nachrichten vom Jahreskongress der Amerikanischen Herzgesellschaft in Dallas kaum sein. Am Sonntag bejubelten Ärzte der Universität Frankfurt noch einen „bahnbrechenden Erfolg“: Stammzellen, die sie 100 Patienten nach einem Infarkt in den Muskel injiziert hatten, verbesserten die Schlagkraft der maladen Herzen deutlich, „verbunden mit einer kompletten Normalisierung der Durchblutung des Herzmuskels“, hieß es in einer Pressemitteilung. Doch nur drei Tage später verkündeten Kollegen der Universität Oslo eine Bauchlandung: Sie hatten ebenfalls Infarktpatienten mit Stammzellen behandelt, doch diesmal hatten die Zellen keine Wirkung aufs Herz.
Der Widerspruch lässt die Experten vorerst ratlos. (...)
Nachdem in dem Artikel ausführlich die beiden sich widersprechenden Befunde diskutiert werden, endet er mit dem Zitat eines Arztes, der an der deutschen Studie beteiligt war, der sagt, wie der Widerspruch geklärt werden könne:
„Dazu brauchen wir Studien, die mehr als 1000 Patienten mindestens zwei Jahre lang beobachten.“ Klaus Koch(SZ 18. 11. 05)
An letzterem Satz wird übrigens sehr deutlich, woran viele der Nachrichten aus der weiten Welt der Krankheiten selbst kranken: sie werden vorschnell herausposaunt. Da geht es vielen Forschern offensichtlich nicht anders als kleinen Kindern, die vorlaut auch immer ganz schnell das verkünden müssen, was sie gerade als ganz neu erfahren haben. Dieser Preis der Mediengesellschaft ist jedoch kein Festpreis, sondern frei gewählt.
Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl einer Nachricht ist ein angenommenes allgemeines Interesse, das, machen wir uns nichts vor, selbstverständlich immer subjektiv gefärbt ist nach dem Motto, was mich interessiert, wird auch andere interessieren. Das ist legitim, wenn auch nicht lupenrein state of the art. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Seriosität der Quelle. Haiko Prengel, Redakteur Wissenschaft und Medizin bei ddp, erklärt: „Wir verbreiten im Wissenschaftsdienst, unter dessen Dach die Medizinmeldungen erscheinen, wissentlich ausschließlich seriöse Beiträge. Als Quellen nutzen wir anerkannte Wissenschaftler, Institute, Universitäten und Publikationen. Kuriose Informationen sind bei uns im Ressort Vermischtes angesiedelt, also für unsere Kunden bereits als solche zu erkennen.“ Und Isabell Scheuplein, eine von zwei Wissenschaftsredakteuren bei AP, benennt das Dilemma am Beispiel der Hormonersatztherapie für Frauen, die jahrelang von den einschlägigen Fachgesellschaften als das Mittel der Wahl dargestellt wurde, dann durch eine große Studie in den USA als nicht mehr vertretbar gehalten wurde, was deutsche Fachgesellschaften jedoch anzweifelten. Sie als Agenturredakteurin könne gar nicht anders, als die jeweiligen Positionen nachrichtlich zu verarbeiten und weiter zu geben. Dass sogar renommierte Fachzeitschriften, auf die sich Wissenschaftsjournalisten der Agenturen oder der Publikumszeitungen stützen, regelrechten Manipulationen aufsitzen können, bei denen viele mitmachen, beschreibt ausführlich Nicola von Lutterotti in der FAZ am 17. 4. 08 am Beispiel des Schmerz- und Rheumamittels Vioxx. Da wird es tatsächlich schwer, journalistisch sauber zu arbeiten.
Jüngst verbreitete die NZ am 14. 5. 2008 eine dpa-Meldung über das Hanta-Virus, in der es heißt, das Robert-Koch-Institut habe mitgeteilt, dass 2007 „in Deutschland eine Rekordzahl von mehr als 1600 Menschen“ von dem von Wühlmäusen übertragenen Hanta-Virus infiziert worden seien.
„Hauptüberträger für Hanta-Viren in Deutschland ist die Waldwühlmaus (auch Rötelmaus genannt), die den Erreger über Speichel, Kot oder Urin ausscheidet. Menschen, vor allem Wald- und Bauarbeiter, stecken sich häufig durch das Einatmen aufgewirbelter Staubwolken an. Seltener sind infektiöse Mäusebisse. Das RKI empfiehlt daher Menschen, die in der Nähe von Wäldern und großen Parks leben oder arbeiten, auf die Anzahl der Mäuse zu achten und sie zu bekämpfen“
Gut, das Robert-Koch-Institut muss solche Fälle untersuchen und muss diese wahrscheinlich auch für die Fachleute publizieren – aber muss eine solche Meldung, die in Deutschland eine Anzahl Menschen im Promillebereich betrifft, fürs allgemeine Lesepublikum im Vermischtem stehen? „Ja“, sagt der stellvertretende Chefredakteur und für Wissenschaftsthemen zuständige Redakteur der NZ, Christoph Willenbrink, „denn darüber gab es kurz zuvor eine große Reportage im ZDF.“ Wenn Medizinthemen in so genannten Leitmedien abgehandelt würden, müsste auch er für die Regionalzeitung das Thema aufgreifen. Dabei stützt er sich „selbstverständlich“ auf die Fachdienste der Agenturen. Dennoch wird man die Frage stellen dürfen: Wo ist hier das allgemeine Interesse? Weil Mäusebisse in Wald und Flur so häufig vorkommen? Nun soll keiner kommen und sagen, eine solche Meldung sei doch auf den ersten Blick als kurios zu identifizieren. Mitnichten, wie das Beispiel Zeckengefahr belegt. In jedem Sommer wird darüber „berichtet“, was 2007 wegen besonders zahlreicher Berichte zur Folge hatte, dass der Impfstoff gegen FSME schon im Sommer ausverkauft war. Würden sich die Journalisten, die die alarmistischen Meldungen über die Zeckengefahr verbreiten, in einem seriösen, jedermann zugänglichen Nachschlagewerk wie beispielsweise „Bittere Pillen“ kundig machen, würden sie dort lesen, dass die FSME-Impfung zur Vorbeugung gegen die Frühsommer-Meningoencephalitis „nur in Risikogebieten bei gefährdeten Personen (z. B. Jägern, Waldarbeitern)“ empfohlen wird. Also nicht für Städter aus Norddeutschland. Denn das ist ja eine der Konsequenzen der Medizin-Berichterstattung, die auch Ärzte beklagen: Kaum ist ein Thema in den Massenmedien, schon ist das Wartezimmer voll mit Menschen, die Angst vor der gerade thematisierten Krankheit haben oder eine bestimmte Therapie fordern, die medizinisch eben nicht für jeden indiziert ist. Nicht umsonst sind die Deutschen auch Weltmeister beim Arztbesuchen.
Die Sammlung „Kaffeetrinker sind im Bett wie aufgedreht“ von 2008 kann unter der URL: www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=1193 kostenlos heruntergeladen werden