Heute haben rund 5000 Menschen in Bremerhaven auf dem Theodor-Heuss-Platz für Demokratie, Vielfalt und Freiheit ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt. Ich durfte die Eröffnungsrede für ein buntes Programm aus Reden und Musik halten. Hier ist sie zum Nachlesen:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Bremerhaven und umzu,
Es ist großartig, dass heute so viele Menschen hierher auf den Theodor-Heuss-Platz gekommen sind, um für Demokratie, Vielfalt und Freiheit ein deutliches Zeichen zu setzen. Es zeigt: Wir sind viele, ja, wir sind die Mehrheit!
Warum sind so viele aufgestanden und hierhergekommen? Weil, das muss ganz laut und deutlich gesagt werden, weil wir befürchten, dass der Artikel 1 unseres Grundgesetzes, Die Würde des Menschen ist unantastbar, in Gefahr ist, von Demokratieverächtern ausgehebelt und mit Füßen getreten zu werden. Deshalb ist es notwendig für die Würde des Menschen, für Demokratie, Vielfalt und Freiheit zu demonstrieren.
Auch wenn man den Verfassungsschutz nicht für die entscheidende politische Instanz in unserem Land halten muss, so ist seine Einschätzung dennoch richtig, dass die Partei AfD einen menschenwürdewidrigen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff vertritt. Dagegen stehen wir auf. Wir stehen dagegen auf, weil wir gegen diese reaktionären und menschenfeindlichen Konzepte sind, die Menschen in verschiedene Kategorien aufgrund ihrer Herkunft einteilen wollen! Damit das nicht geschieht, stehen wir hier für Demokratie, für Vielfalt und für die Freiheit jedes Menschen.
Wir stehen heute hier, weil wir nicht zu spät aufstehen wollen wie der Pastor Martin Niemöller, der Anfang der 1930er Jahre ein nationalistischer Mitläufer war und erst nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten merkte, was für ein unmenschliches Regime die Macht übernommen hatte. Als er dagegen protestierte, musste er dafür viele Jahre im Gefängnis verbringen. Erst hinterher, nach dem Ende der Hitlerherrschaft bedauerte er, dass er geschwiegen hatte, als die ersten Kritiker der neuen Machthaber geholt wurden, so dass bald niemand mehr da war, der sich für ihn hätte einsetzen können. Damit genau das nicht wieder passieren kann, sind wir heute hier. Deshalb werden wir laut für Demokratie, für Vielfalt und für Freiheit.
Wir stehen heute hier, weil wir wissen und klarstellen wollen: Nicht Migration bedroht unser Land, sondern die Klimakrise. Die Klimakrise bedroht unsere physische Existenz. Wer Migration zum Hauptproblem erklärt, lenkt ab von den eigentlichen Problemen und tut so, als gäbe es keine Klimakrise, als gäbe es keinen Krieg in Europa, als gäbe es keine Wirtschaftskrise, in der sich immer mehr Reiche noch mehr bereichern, als gäbe es keine Demontage der Sozialsysteme. Diese Probleme können nur gelöst werden, wenn wir uns ihnen ehrlich stellen und solidarisch nach Lösungen suchen. Dafür brauchen wir Demokratie, Vielfalt und Freiheit.
Angesichts der politischen Diskussionen in den vergangenen Wochen muss ich feststellen: Ob die AfD mitstimmt ist nurmehr vordergründig ein Problem. Das Problem ist vielmehr, dass der Inhalt der Anträge der Merz-CDU AfD-Politik abbildet. Und das Problem ist, dass die meisten demokratischen Parteien sich dieser Werteverschiebung nicht wirklich widersetzen, sondern sich mehr oder weniger anpassen. Das verändert das Sagbare und Machbare in unserer Gesellschaft. Dagegen werden wir laut - für Demokratie, für Vielfalt und für Freiheit.
Ein Wort zu meinen Kolleginnen und Kollegen in den Medien: Viele helfen mit, Migration als das Problem der heutigen Zeit groß zu machen, und das trotz seit Jahren sinkender Kriminalität und Mordrate. Es wird eine Bedrohungslage herbeigeschrieben, die die Statistik nicht hergibt. Damit unterstützen viele Medien die Lügen von AfD und der Merz-CDU über die Lage des Landes.
Deshalb möchte ich an Hannah Arendt erinnern, die als Flüchtling das nationalsozialistische Deutschland verlassen musste und als Asylbewerberin in die USA kam. Sie hat zum Thema Lüge und Politik geschrieben: „je erfolgreicher einer lügt und je mehr Menschen er überzeugt, desto mehr Aussicht besteht, daß er am Ende an seine eigenen Lügen glaubt.“
Gerade deshalb müssen wir die Wahrheit hochhalten, gerade deshalb dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen von einer Rhetorik der Angst, die auf Lügen aufbaut.
Im alten demokratischen Griechenland hat man die Idiotai (ἰδιῶται), also die Idioten ganz wertneutral als diejenigen bezeichnet, die sich nicht am politischen Leben beteiligten, sondern nur für sich lebten. Solche Idioten begünstigen allerdings heute die Demagogen und die Verbreitung von Irrlehren und Lügen. Deshalb wollen wir keine Idioten sein, deshalb müssen wir uns für die Wahrhaftigkeit einsetzen, deshalb müssen wir uns politisch und gesellschaftlich engagieren, auch und gerade vor Ort. Und gerade deshalb lasst uns laut eintreten für Demokratie, für Vielfalt und für die Freiheit jedes Menschen.